Die Dahlhoffs - 250 Jahre Tanzmusiktradition

Worum geht‘s?

Um knapp 1400 Seiten schönster norddeutscher Volksmusik! Seit 2013 ist die in Berlin befindliche Sammlung, wiederentdeckt durch den Musiker und Forscher Simon Wascher (Wien/Berlin), digitalisiert und steht somit jedermann zur Verfügung.

Die zehnbändige Sammlung im Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Unter den Linden, Berlin, ist vom Umfang her europaweit einmalig.

http://digital.staatsbibliothek-berlin.de/dms/werkansicht/?PPN=PPN719868688

Die meisten Stücke sind schön und spiegeln, obwohl Volksmusik und nicht schwer (oder gerade deshalb), barockes und frühklassisches Musikempfinden.

 

Es handelt sich ausnahmsweise nicht um eine musikwissenschaftliche Sammlung oder konservierende Sammlung, sondern um Material, das offenbar dauernd in Gebrauch war (über einen Zeitraum von 150-250 Jahren!), und das im Mikrokosmos eines kleinen Dorfes.

Der Sohn Dietrich begann erst 1767, nach dem Tod seines Vaters Heinrich (1704-1764) das musikalische Erbe, das schon auf den Großvater und ersten Dahlhoff in Dinker, Goswin (1670-1734) zuückgeht,  zu sammeln, aufzuschreiben, weiterzuführen.

Wie eingeschlossen in einen Bernsteintropfen findet man hier ein authentisches Bild der verschwundenen deutschen Tanzmusik, so wie sie damals offenbar war: mitteleuropäisch. Denn die Einflüsse reichen vom Wallonischen bis ins Polnische, von England, Irland, Schottland, Schweden bis in die Alpenregion. Musiker freuten sich also auch schon damals über Neues, nur dass es der eigenen Kultur durch Gebrauch einverleibt wurde. Und diese Sammelleidenschaft war offenbar im zentraleuropäischen Dinker, direkt am Hellweg, einer damals vielbefahren Postkutschenroute, besonders ausgeprägt.

 

 

Um 1840 gibt es noch nachgewiesene Kontakte eines Dahlhoff nach Schweden und ca. 100 Jahre später deutliches Interesse aus Schweden, vor allem an den Polonesen. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts ist plötzlich Schluss mit der alten Tanzmusik in Dinker. Warum ist noch zu erforschen. Jedenfalls ist in dieser Zeit wohl eine alte Geige aus Familienbesitz an die Mozartstiftung verschenkt worden. Im Zusammenhang dieser Auflösung des Familienerbes sind auch die Notenbücher zunächst in den Besitz des Volksmusikforschers Ludwig Christian Erk (rechtes Bild) geraten und nach dessen Tod mit dessen gesamten Nachlass im Staatsarchiv Berlin gelandet.

Anfang 1930er Jahre suchte der schwedische Volkskundler Nils Dencker (linkes Bild) im Berliner Staatsarchiv gezielt nach Polonesen, deren Abschriften jetzt im Svenskt Visarkiv aufbewahrt werden und von schwedischen Musikern gespielt wurden. Die Quellenangabe: Dahlhoff, Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz unter den Linden, Berlin ließ damals deutsche Musikinteressierte aufhorchen - und nachstöbern.

Es könnte also sein, dass sich bei der Beschäftigung mit der Musik der Dahlhoffs die alte Frage, was aus unserer eigenen Volksmusik geworden ist, ein wenig erhellt.

Man muss die Musik nur spielen!

Februar 2016

Michael Möllers